Familie

Darf mir meine Mutter verbieten, an die Abschlussfeier zu gehen?

Haben Sie eine berufliche Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, können Ihnen Ihre Eltern nicht verbieten, daran teilzunehmen. Dies gilt auch dann, wenn Sie minderjährig sind.

Eltern können nicht beliebig über ihre Kinder und deren Freizeitgestaltung bestimmen. Das Zivilgesetzbuch hält als Grundsatz der elterlichen Sorge vielmehr fest, dass diese «dem Wohl des Kindes» zu dienen hat. Die Eltern treffen für ihr Kind «unter dem Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen». Sie «gewähren dem Kind die seiner Reife entsprechende Freiheit der Lebensgestaltung und nehmen in wichtigen Angelegenheiten, soweit tunlich, auf seine Meinung Rücksicht».

Jugendliche dürfen vieles selber entscheiden

Die elterliche Sorge umfasst grundsätzlich auch das Recht, für das minderjährige Kind die Alltagsentscheidungen zu treffen: Was ein Kind anzieht, mit wem es sich trifft und allgemein, wie es seine Freizeit zu gestalten hat. Allerdings muss ein Kind nicht auf seine Volljährigkeit warten, bis es eigene Entscheidungen treffen darf. Vielmehr darf eine jugendliche Person dort selbst entscheiden, wo sie urteilsfähig ist. Dabei gibt es keine fixe Altersgrenzen für bestimmte Entscheidungen. Je konkreter eine Fragestellung ist, desto früher hat das Kind die Fähigkeit, sie richtig zu beurteilen und deren Tragweite und Konsequenzen einzuschätzen.

Im konkreten Einzelfall ist die Reife des Kindes entscheidend

Im Einzelfall ist es entscheidend, wie reif das direkt betroffene Kind ist. Für das Bundesgericht war so beispielsweise ein 10-jähriges Kind in Bezug auf das Besuchsrecht des Vaters nicht urteilsfähig, es konnte also die Folgen des Besuchsrechts nicht abschätzen. Hingegen konnte in einem weiteren Fall ein 14-jähriges Kind gemäss Bundesgericht selbstständig entscheiden, ob es seinen Namen ändern will oder nicht.

Hat nun eine jugendliche Person eine Ausbildung erfolgreich absolviert, wird sie auch verstehen, was eine Abschlussfeier bedeutet. Sie kann also selbstständig entscheiden, ob sie hingehen will oder nicht. Die Eltern können ihr die Teilnahme nicht verbieten, selbst wenn sie die Feier beispielsweise aus religiösen Gründen ablehnen. (Siehe auch: «Darf ich eine Bluttransfusion aus religiösen Gründen ablehnen?»)