Behörden

Wie schnell muss ein Strafverfahren gehen?

Jede Person hat das Recht, dass das Gericht über strafrechtlichen Ansprüche innert angemessener Frist urteilt.

Sowohl die Europäische Menschenrechtskonvention als auch die Bundesverfassung garantieren das Recht auf eine gerichtliche Beurteilung strafrechtlicher Angelegenheiten innert angemessener Frist. Unter anderem weil das Strafrecht stark in die persönliche Freiheit eingreift, kommt dem Beschleunigungsgebot hier eine grössere Bedeutung zu als im Zivilrecht. Die Strafprozessordnung präzisiert dieses Beschleunigungsgebot schreibt den Strafbehörden denn auch vor, dass sie die «Strafverfahren unverzüglich an die Hand» nehmen und «sie ohne unbegründete Verzögerung zum Abschluss bringen sollen».

Bei einem Freiheitsentzug hat die Person den verfassungsrechtlichen Anspruch, dass die Behörde sie «unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte» unterrichtet. In der Untersuchungshaft hat die Person den «Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden». Auch hier präzisiert die Strafprozessordnung, indem sie den Strafbehörden vorschreibt, das Verfahren bei einer beschuldigten Person in Haft «vordringlich» durchzuführen.

Beschleunigungsgebot gilt nicht absolut

Sobald die beschuldigte Person von der gegen sie erhobenen Strafuntersuchung erfährt, sind die Behörden gemäss dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) an das Beschleunigungsgebot gebunden. Das Beschleunigungsgebot endet mit Abschluss des letztinstanzlichen Verfahrens.

Anders als für die beschuldigte Person gibt es für die Behörden trotz Beschleunigungsgebot keine absoluten Fristen, die sie einhalten müssen. Gemäss Bundesgericht und EGMR hängt die genaue zulässige Dauer von der Komplexität des Verfahrens, des Verhaltens namentlich der beschuldigten Person und der Bedeutung des Verfahrens für die Person ab.

Verletzung des Beschleunigungsgebot ist nicht gesetzlich geregelt

Weder die Verfassung noch die Strafprozessordnung regeln die Folgen, wenn die Strafbehörden das Beschleunigungsgebot missachten. Für das Bundesgericht und den EGMR ist das Beschleunigungsgebot beispielsweise dann verletzt, wenn die Behörden über einen längeren Zeitraum untätig geblieben sind. Als nicht zulässig hat das Bundesgericht es so etwa erachtet, wenn sich die Behörde über ein Jahr Zeit gelassen hat, um Ermittlungshandlungen vorzunehmen oder um einen Fall an die Beschwerdeinstanz zu übermitteln.

Stellt ein Gericht die Verletzung des Beschleunigungsgebotes fest, kann dies zu unterschiedlichen Folgen führen. So kann dies zu einer tieferen Strafe oder gar einem Schuldspruch ohne Strafe führen. Bei einer massiven Verletzung hat die betroffene Person Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung, als letztmögliche Massnahme ist auch die Einstellung des Verfahrens denkbar.