Konsum & Internet
7 Antworten zum «Stopp der Hochpreisinsel Schweiz»
Der Bundesrat hat den indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Stopp der Hochpreisinsel – für faire Preise» auf den 1. Januar 2022 in Kraft gesetzt. Ziel der Neuregelung ist, dass Konsumenten und Unternehmen keine höheren Preise mehr bezahlen müssen, weil sie in der Schweiz ansässig sind.
Muss jeder Online-Shop in die Schweiz liefern?
Nein. Er muss aber auch Schweizer Kunden die Ware auf Wunsch an eine Adresse im Liefergebiet senden.
Liefert ein Unternehmen in die Schweiz, darf es die Kunden in der Schweiz ohne sachliche Rechtfertigung nicht anders als Kunden im Ausland behandeln: Es darf Kunden nicht aufgrund deren Nationalität, deren Wohnsitz, deren Ort der Niederlassung, des Sitzes deren Zahlungsdienstleister oder des Ausgabeorts deren Zahlungsmittel diskriminieren. Die Regelungen gelten auch für den Verkauf via Telefon oder Katalog.
Verstösst ein Unternehmen gegen diese Regelungen, kann der betroffene Kunde insbesondere eine Anzeige bei der Wettbewerbskommission machen.
Darf ein Online-Shop von einem Schweizer Kunden einen höheren Preis verlangen?
Nein. Verlangt ein Online-Shop von einem Schweizer Kunden einen höheren Preis als etwa von einem Kunden in Frankreich, Italien oder Deutschland, handelt er unlauter. Dasselbe gilt, wenn dem Schweizer Kunden nicht gleichwertige Zahlungsoptionen offen stehen.
Das Verbot steht unter dem Vorbehalt der «sachlichen Rechtfertigung»: So darf ein Online-Shop etwa einen höheren Gesamtpreis verlangen, wenn der Versand in die Schweiz aufwändiger ist und Kosten wie Verzollungsgebühren anfallen.
Die Regelungen gelten auch für den Verkauf via Telefon oder Katalog.
Ist Geoblocking nach wie vor noch erlaubt?
Nein. Ein privates Unternehmen darf den Zugang zu seinem Online-Portal weder blockieren noch beschränken. Es darf die Kunden auch nicht ohne deren Einverständnis auf eine andere als die ursprünglich aufgesuchte Version weiterleiten, etwa auf eine .ch – Domain. Tut es dies dennoch, handelt es unlauter.
Gelten die Regelungen für alle Produkte & Dienstleistungen?
Für Produkte ja, für Dienstleistungen nein.
Das Parlament hat im Gesetz einen umfangreichen Ausnahmekatalog analog zu der EU-Regelung verankert. So findet das Verbot des Geoblockings keine Anwendung auf «nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse; Dienstleistungen im Finanzbereich; Dienstleistungen der elektronischen Kommunikation; Dienstleistungen des öffentlichen Verkehrs; Dienstleistungen von Leiharbeitsagenturen; Gesundheitsdienstleistungen; Glücksspiele, die einen geldwerten Einsatz verlangen, einschliesslich Lotterien, Glücksspiele in Spielbanken und Wetten; private Sicherheitsdienste; soziale Dienstleistungen aller Art; Dienstleistungen, die mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt verbunden sind; Tätigkeiten von Notaren sowie von Gerichtsvollziehern, die durch staatliche Stellen bestellt werden; audiovisuelle Dienste».
Gelten auch für Unternehmen in der Schweiz neue Regeln?
Ja. Neu schützt das Kartellgesetz Schweizer Unternehmen vor dem Missbrauch nicht nur marktbeherrschender, sondern auch «relativ marktmächtiger» Unternehmen. Als «relativ marktmächtiges Unternehmen gilt ein Unternehmen, von dem andere Unternehmen beim Angebot oder bei der Nachfrage einer Ware oder Leistung in einer Weise abhängig sind, dass keine ausreichenden und zumutbaren Möglichkeiten bestehen, auf andere Unternehmen auszuweichen».
Um sich erfolgreich auf den Schutz berufen zu können, muss das Unternehmen nachweisen, dass es die vorhandenen Alternativen erfolglos ausgeschöpft hat.
Darf ein Unternehmen frei entscheiden, ob es seine Waren aus dem In- oder Ausland beziehen will?
Ja, es gilt die Beschaffungsfreiheit. Ein marktbeherrschendes oder relativ marktmächtiges Unternehmen darf von seinen Unternehmenskunden nicht verlangen, Waren und Leistungen im Inland zu beziehen, wenn diese auch im Ausland angeboten werden. Der Unternehmenskunde darf die Waren und Leistungen «im Ausland zu den dortigen Marktpreisen und den dortigen branchenüblichen Bedingungen» beziehen.
Was passiert, wenn ein Unternehmen seine relative Marktmacht missbraucht?
Anders als einem marktbeherrschenden Unternehmen drohen einem Unternehmen mit relativer Marktmacht keine verwaltungsrechtlichen Sanktionen.
Ist ein Unternehmen von dem Missbrauch eines Unternehmens mit relativer Marktmacht betroffen, kann es – sofern das andere relativ marktmächtige Unternehmen einen Sitz in der Schweiz hat – eine Anzeige bei der Wettbewerbskommission einreichen. Es kann zudem zivilrechtlich vorgehen und beispielsweise die Unterlassung der Behinderung fordern.