Behörden
Darf die Kantonsärztin ein ungeimpftes Kind von der Schule weisen?
Bei einem Masernausbruch darf die Kantonsärztin ein ungeimpftes Kind zeitlich befristet aus der Schule ausschliessen, um die Verbreitung der ansteckenden Krankheit zu bekämpfen. Dies hat das Bundesgericht mit Entscheid vom 8. Juni 2020 bestätigt.
Das Epidemiengesetz erlaubt den Schulausschluss eines ungeimpften Kindes bei einem Masernausbruch. Der zeitlich begrenzte Ausschluss dient der Bekämpfung der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit und ist verhältnismässig. Die Gabe von Immunglobulin an nicht impfbare Menschen ist keine Alternative zum Schulausschluss.
Kantonsärztin schliesst Kind nach Masernausbruch aus
In einer vierten Primarschulklasse erkrankt ein Kind an Masern. Die Kantonsärztin fordert die Eltern einer ungeimpften Mitschülerin auf, ihre Tochter für zwei Wochen nicht zur Schule zu schicken. Gegen diesen Entscheid erheben die Eltern Beschwerde beim kantonalen Verwaltungsgericht. Dieses tritt auf Intervention des Bundesgerichts auf die 57-seitige Eingabe teilweise ein, weist sie aber in der Sache ab. Auch vor Bundesgericht scheitern die Eltern mit ihrer Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.
Schulausschluss muss verhältnismässig sein
Das Epidemiengesetz bezweckt, den «Ausbruch und die Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhüten und zu bekämpfen». Es sieht unter anderem Massnahmen gegenüber einzelnen Personen vor, darunter auch die Einschränkung bestimmter Tätigkeiten einer Person, die «krank, krankheitsverdächtig, angesteckt oder ansteckungsverdächtig ist oder Krankheitserreger ausscheidet».
Die Massnahme ist nur zulässig, wenn sie verhältnismässig ist. Sie muss geeignet sein, die Verbreitung des Virus zu bekämpfen. Sie muss erforderlich sein, um eine ernsthafte Gefahr für die Gesundheit Dritter abzuwenden, es darf also keine mildere Massnahme möglich sein. Die Massnahme darf schliesslich nicht länger dauern als erforderlich.
Immunglobulin für Dritte keine Alternative zu Schulausschluss
Die Eltern erachten den Schulausschluss als nicht erforderlich, weil stattdessen die nicht impfbaren Personen wie beispielsweise schwangere Frauen oder immunsupprimierte Menschen mit Immunglobin hätten versorgt werden können. Mit dieser milderen Massnahme hätte die Kantonsärztin auf den Schulausschluss verzichten können. Das Bundesgericht lehnt diesen Vorschlag als nicht haltbar ab: Das Verhältnismässigkeitsprinzip ist keine gesetzliche Grundlage, auf Basis welcher die Grundrechte Dritter eingeschränkt werden kann.
Auch der Hinweis, dass die Tochter bei einer Erkrankung das Risiko selber trage, überzeugt das Bundesgericht nicht: «Abgesehen davon funktioniert ihr Verhalten, wonach sie bei einer Erkrankung das Risiko selber trägt, nur deshalb, weil die Bevölkerung aufgrund einer sehr hohen Impfrate geschützt ist». (Siehe auch: «Darf der Kanton ungeimpftes Gesundheitspersonal zu Tests verpflichten?»)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab und auferlegt der Beschwerdeführerin die Gerichtskosten in der Höhe von 2 000 CHF.
Aktualisiert am 9. Februar 2023