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Darf ein Polizist Anzeige erstatten und die Einvernahme durchführen?

Der Polizist darf Anzeige erstatten, auch wenn er selbst die Einvernahme durchführte. Der Beschuldigte muss ein Ausstandsgesuch ohne Verzug stellen.

Sobald eine Person im Strafverfahren Kenntnis von einem möglichen Ausstandsgrund hat, muss sie das Ausstandsgesuch «ohne Verzug» stellen. Dies gilt auch für eine nicht anwaltlich vertretene Person, wie das Bundesgericht mit Urteil vom 9. April 2019 bestätigt hat.äämä

Polizist erstattet nach privater Velotour Anzeige

Ein Polizist ist als Fahrradfahrer privat unterwegs. Er fühlt sich von einem hinter ihm fahrenden Autolenker bedrängt. Der Polizist notiert sich das Kontrollschild und bestellt den Autofahrer als beschuldigte Person schriftlich zur polizeilichen Einvernahme am 2. Juli 2018 ein. Nach der Befragung erlässt der Staatsanwalt gegen den Autofahrer einen Strafbefehl. Dieser, nunmehr anwaltlich vertreten, stellt am 21. August 2018 ein Ausstandsgesuch. Die Staatsanwaltschaft lehnt das Gesuch ab, da der Autofahrer dieses zu spät eingereicht habe. Der Beschuldigte führt daraufhin Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht.

Beschuldigter muss allfälliges Ausstandsgesuch ohne Verzug stellen

Wer in einem Strafverfahren Kenntnis von einem möglichen Ausstandsgrund hat, muss der Verfahrensleitung «ohne Verzug» ein entsprechendes Gesuch stellen. «Ohne Verzug» bedeutet gemäss Rechtsprechung spätestens nach sechs bis sieben Tagen. Im vorliegenden Fall hat der Autofahrer bereits am 2. Juli 2018 gewusst, dass es sich beim einvernehmenden Polizisten um den betroffenen Fahrradfahrer handelte. Ein erst am 21. September 2018, am Tag der Akteneinsicht, eingereichtes Ausstandsgesuch ist nach Ansicht des Bundesgerichts jedenfalls verspätet.

Auch ein Laie muss Ausstandsgesuch rechtzeitig einreichen

Zwar anerkennt das Bundesgericht, dass ein juristischer Laie ohne anwaltliche Vertretung wegen einer polizeilichen Einvernahme überrumpelt sein könne. Das hindere auch einen Laien aber nicht daran, sich rechtskundig zu machen und einige wenige Tage nach der Einvernahme ein Ausstandsgesuch zu stellen.

Schliesslich hält das Bundesgericht fest, dass ein zwingender Ausstandsgrund im vorliegenden Fall nicht gegeben sei.

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab und auferlegt dem Beschwerdeführer die Gerichtskosten in der Höhe von CHF 2 000.

Aktualisiert am 11. Juli 2024