Arbeiten
Darf mich der Chef wegen verspätetem Arztzeugnis fristlos entlassen?

Informiert ein Arbeitnehmer seinen Chef nicht rechtzeitig über seine Arbeitsunfähigkeit, kann dies eine fristlose Entlassung rechtfertigen.
Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig, muss er seine Arbeitgeberin raschestmöglich darüber informieren. Dasselbe gilt, wenn sich die Prognose verändert: Die arbeitsrechtliche Treuepflicht fordert eine kontinuierliche Information.
Aus «wichtigen Gründen» kann eine Partei eines Arbeitsvertrages den Vertrag jederzeit fristlos auflösen. Als «wichtiger Grund» gilt jeder Umstand, der die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses als unzumutbar erscheinen lässt. Verletzt der Arbeitnehmer seine Informationspflicht, kann dies ein Grund für eine fristlose Entlassung sein, wie das Bundesgericht mit Urteil vom 15. Januar 2025 bestätigt.
Chef entlässt Angestellte fristlos
Eine Frau arbeitet in einem Team von zwei Personen. Die Arbeitgeberin kündigt das Arbeitsverhältnis ordentlich. Im Anschluss meldet sich die Angestellte krank. Die Arbeitgeberin fordert sie wiederholt auf, entweder zur Arbeit zu erscheinen oder ein Arztzeugnis einzureichen. Schlussendlich droht die Arbeitgeberin der Angestellten mit der fristlosen Kündigung, sollte diese das Arztzeugnis nicht fristgerecht vorlegen. Daraufhin reicht die Angestellte das Arztzeugnis, über welches sie schon einige Tage verfügte, innert der gesetzten Frist ein. Trotz entsprechender Aufforderung der Arbeitgeberin informiert die Angestellte sie nicht darüber, ob und wann sie wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren werde, worauf die Arbeitgeberin die Frau fristlos entlässt. Nach Erhalt der Kündigung reicht die Frau das Arztzeugnis nach.
Knapp zwei Jahre später klagt die Ex-Angestellte vor dem Bezirksgericht auf Nachleistung der Lohnzahlungen sowie auf eine Entschädigung wegen ungerechtfertigter Kündigung. Das Bezirksgericht weist die Klage ab, worauf die Ex-Angestellte erfolglos Berufung beim kantonalen Obergericht einlegt. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben.
Fristlose Kündigung bei verletzter Informationspflicht zulässig
Ein kranker Arbeitnehmer muss, sobald es sein Gesundheitszustand erlaubt, seine Arbeitgeberin unverzüglich über die voraussichtliche Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit informieren. Diese Pflicht hat die Angestellte im vorliegenden Fall verletzt. Sie hat das erste Arztzeugnis erst drei Tage nach dessen Ausstellung eingereicht. Auch nach Ablauf der Geltungsdauer dieses ersten Arztzeugnisses ist sie von der Arbeit ferngeblieben, ohne die Arbeitgeberin auf dem Laufenden zu halten. (Siehe auch: «Darf mein Chef ab dem ersten Tag ein Arztzeugnis verlangen?»)
Die Arbeitgeberin durfte den Arbeitsvertrag damit fristlos auflösen, da dieses Verhalten die Weiterführung als unzumutbar erscheinen lässt. Dies umso mehr, als das Team aus lediglich zwei Personen bestand und die Arbeitgeberin die Arbeit nicht einfach umverteilen konnte. Die Arbeitgeberin musste ihrer Angestellten auch nicht ein zweites Mal mit der fristlosen Entlassung drohen, denn die Frau hat die erste Verwarnung wenige Tage vor der fristlosen Kündigung erhalten und «wusste folglich, mit welchen einschneidenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen sie bei einer erneuten Missachtung der Informationspflicht rechnen musste».
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Es auferlegt der Beschwerdeführerin die Gerichtskosten im Umfang von 2 000 CHF und verpflichtet sie zur Zahlung einer Parteientschädigung in der Höhe von 2 500 CHF.