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Gekündigt nach Mutterschaftsurlaub: Immer erlaubt nach Reorganisation?
Kündigt eine Arbeitgeberin ihrer Mitarbeiterin nach deren Mutterschaftsurlaub und macht die Mitarbeiterin eine diskriminierende Kündigung glaubhaft, liegt die Beweislast bei der Arbeitgeberin. Sie muss beweisen, dass sie aus einem anderen Grund gekündigt hat. Ein blosser Hinweis auf eine Reorganisation ist kein solcher Beweis. Dies hat das Bundesgericht mit Entscheid vom 12. Mai 2020 bestätigt.
Eine Arbeitgeberin kann eine glaubhaft gemachte Diskriminierung nicht mit dem blossen Hinweis entkräften, aufgrund einer Reorganisation habe es für die gekündigte Frau keinen Platz mehr im Unternehmen.
Unternehmen kündigt einen Tag nach Mutterschaftsurlaub
Die Mitarbeiterin ist seit mehr als neun Jahren für ein Unternehmen tätig, zuletzt als Kommunikationsverantwortliche. Das Unternehmen geht davon aus, dass die Frau keine Kinder bekommen kann, diese wird gleichwohl schwanger. Während ihres Mutterschaftsurlaubs schreibt das Unternehmen die Stelle neu aus und ändert die Kommunikationsstrategie. Das Unternehmen kündigt der Mitarbeiterin am ersten Arbeitstag nach ihrem Mutterschaftsurlaub und bescheinigt ihr im Arbeitszeugnis eine hervorragende Arbeit. Zwei Wochen später beginnt die neue Kommunikationsverantwortliche.
Die gekündigte Frau gelangt an die Schlichtungsstelle, das Verfahren endet ergebnislos. Im darauffolgenden Gerichtsverfahren verlangt sie vor der ersten Instanz vergeblich eine Entschädigung von drei Monatslöhnen wegen missbräuchlicher Kündigung. Das nächsthöhere Gericht hingegen spricht ihr die Entschädigung zu, worauf die Arbeitgeberin beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen einlegt. Das Bundesgericht lehnt die Beschwerde ab und bestätigt die Missbräuchlichkeit der Kündigung.
Reorganisation legitimiert Kündigung nicht automatisch
Unbestritten ist, dass die Frau die diskriminierende Kündigung hat glaubhaft machen können. Damit muss die Arbeitgeberin die Diskriminierung widerlegen und im konkreten Fall belegen, dass die Reorganisation der entscheidende Grund für die Kündigung gewesen ist. (Siehe auch: «Darf meine Arbeitgeberin mir nach dem Mutterschaftsurlaub kündigen?»)
Das Unternehmen argumentiert, dass die gekündigte Mitarbeiterin nicht die Voraussetzungen für eine Kommunikationsverantwortliche der neuen Kommunikationsstrategie mitbringe. Es legt aber vor Gericht nicht dar, worin die neue Kommunikationsstrategie besteht. Auch die Tatsache, dass die neue Kommunikationsverantwortliche fachlich höher qualifiziert ist, überzeugt das Bundesgericht nicht: Das Unternehmen kann nicht belegen, dass die gekündigte Arbeitnehmerin den Anforderungen nicht genügt. Angesichts des guten Arbeitszeugnisses überzeugt die Argumentation, die Mutter hätte nicht genug starke Schultern («les épaules assez larges») für die Position als Kommunikationsverantwortliche, nicht.
Für das Bundesgericht ist es unwahrscheinlich, dass das Unternehmen der Arbeitnehmerin gekündigt hätte, wäre sie nicht schwanger gewesen. Die Kündigung bleibt damit gültig, das Unternehmen muss der gekündigten Angestellten jedoch eine Entschädigung in der Höhe von drei Monatslöhnen bezahlen. Es muss zudem die Gerichtskosten in der Höhe von 700 CHF übernehmen.
Aktualisiert am 30. März 2023