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Gilt bei einer «Massenentlassung» eine Filiale als «Betrieb»?

Eine Filiale gilt bereits dann als «Betrieb» im Sinne der Vorschriften der Massenentlassung, sofern sie über eine gewisse Autonomie verfügt. Dies hat das Bundesgericht mit Urteil vom 18. Juli 2022 entschieden.

Ein Betrieb muss die Vorschriften der Massenentlassung einhalten, sofern er über mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigt. Entscheidend für diesen Schwellenwert ist dabei grundsätzlich nicht das Unternehmen, sondern die einzelne Filiale. Diese muss weder finanziell, wirtschaftlich, administrativ oder rechtlich autonom sein noch muss sie geografisch weit entfernt von anderen Filialen liegen.

Änderungskündigung nicht missbräuchlich

Die Arbeitgeberin Post CH AG spricht eine Änderungskündigung aus: Sie kündigt der Mitarbeiterin einer Filiale, bietet ihr aber einen neuen Arbeitsvertrag mit einem flexibleren Arbeitszeitmodell an. Die Mitarbeiterin ficht die Kündigung als missbräuchlich an, unter anderem weil die Arbeitgeberin die Vorgaben für die Massenentlassung nicht eingehalten habe.

Nach der gescheiterten Schlichtung hält das «Tribunal de prud‘hommes» fest, dass die Filiale als «Betrieb» gelte. Da die Filiale weniger als 20 Personen beschäftige, kämen die Vorschriften für eine Massenentlassung nicht zur Anwendung und die Arbeitgeberin schulde der entlassenen Mitarbeiterin keine Entschädigung. Der «Cour d’appel civile du Tribunal cantonal» lehnt den Rekurs gegen diesen Entscheid ebenab, auch das Bundesgericht weist die Beschwerde in Zivilsachen ab.

Auch nicht autonome Filiale gilt als Betrieb

Die Mitarbeiterin ist in einer Postfiliale mit sieben Mitarbeitenden angestellt. Die Filiale ist in ein Filialgebiet integriert. Die Filiale kann namentlich die Anzahl ihrer Mitarbeitenden, deren Vertrag, Lohn sowie deren Arbeits- und Urlaubszeiten nicht selber bestimmen. Die Filialen innerhalb des Filialgebietes liegen geografisch nahe beieinander.

Laut Bundesgericht ist es nicht notwendig, dass eine Filiale über eine finanzielle, wirtschaftliche, administrative oder rechtliche Autonomie verfügt, um als eigenständiger «Betrieb» zu gelten. Ebenso ist es nicht entscheidend, ob die Filiale alleine über die Massenentlassung bestimmen kann. Es reicht, dass die Filiale über Personal, materielle und immaterielle Mittel und damit über eine gewisse Autonomie verfügt. Dass die Filialen geografisch nahe beieinander liegen, ist unbeachtlich. Die Filiale ist damit ein eigener Betrieb, der den Schwellenwert von 20 Mitarbeitern nicht erreicht und so nicht in den Geltungsbereich der Vorschriften über die Massenentlassung fällt.

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab und verpflichtet die Beschwerdeführerin zur Übernahme der Gerichtskosten im Umfang von 1 000 CHF sowie zur Bezahlung einer Parteientschädigung im Umfang von 1 250 CHF.