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Kann ich mich durch ein blosses «Liken» strafbar machen?
Wer einen ehrverletzenden Beitrag mit «Gefällt mir» markiert, erfüllt den Tatbestand der üblen Nachrede, sofern eine Drittperson die Reaktion sehen kann. Dies hat das Bundesgericht mit Urteil vom 29. Januar 2020 entschieden.
Wer sich über eine andere Person so äussert, dass diese als Mensch verächtlich gemacht wird, macht sich der üblen Nachrede strafbar. Dasselbe gilt, wenn jemand eine solche ehrverletzende Äusserung weiterverbreitet. Eine Reaktion auf einen Social Media Post kann zu einer solchen Weiterverbreitung führen. Handelt es sich bei der ehrverletzenden Äusserung jedoch um eine Tatsachenbehauptung, bleibt sie straflos, sofern die beschuldigte Person die Tatsache beweisen kann.
Mann markiert ehrverletzende Beiträge mit «Gefällt mir»
Ein Mann markiert mehrere Facebook-Beiträge, in denen einer Drittperson vorgeworfen wurde, «rechtes, ‚braunes‘ sowie antisemitisches Gedankengut zu vertreten und zu verbreiten», mit «Gefällt mir». Das Bezirksgericht spricht den Mann der mehrfachen üblen Nachrede schuldig und verhängt eine Geldstrafe. Das Obergericht bestätigt das Urteil weitgehend. Auch das Bundesgericht folgt den Vorinstanzen, weist den Fall aber gleichwohl an das Obergericht zurück. Denn der Mann muss beweisen dürfen, dass die ehrverletzenden Behauptungen wahr und damit straflos sind.
«Liken» alleine noch nicht ehrverletzend
Der Vorwurf, «braunes Gedankengut» zu vertreten, ist ehrverletzend. (Siehe aber: «Darf ich im Fernsehen von «Vetterliwirtschaft» sprechen?»). Wer einen ehrverletzenden Beitrag mit «Gefällt mir» markiert, macht sich noch nicht automatisch strafbar. Denn mit dem Drücken des «like»-Buttons allein ist laut Bundesgericht noch keine Wertung verbunden: «Den Funktionen 'Gefällt mir' und 'Teilen' kann insofern grundsätzlich keine über das Weiterverbreiten des entsprechenden Posts hinausgehende Bedeutung zugemessen werden».
Führt «Liken» zu einer Weiterverbreitung, kann es ehrverletzend sein
Im konkreten Fall hat der Mann durch das Anklicken des «Gefällt mir» - Buttons den ursprünglichen Empfängerkreis erheblich erweitert. Dies, weil Drittpersonen die Reaktion sehen und wahrnehmen konnten. Damit hat er den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllt.
Der Beschwerdeführer muss aber die Möglichkeit haben, zu beweisen, dass die Vorwürfe in den markierten Posts wahr sind. Anders als bei einem blossen Werturteil, wie beispielsweise das Bundesgericht den Begriff «Vaffanculo» qualifiziert hat, ist dies bei der Aussage, jemand vertrete «braunes Gedankengut», möglich, da es sich um eine Tatsachenbehauptung handelt.
Das Bundesgericht weist den Fall an das Obergericht zurück und verpflichtet den zuständigen Kanton, dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von 3 000 CHF zu bezahlen.
Aktualisiert am 13. April 2023