Familie

Muss ich der Ex-Frau auch nach meiner Pensionierung Unterhalt zahlen?

Erfolgt die Scheidung erst im Rentenalter, kann das Gericht unbefristete nacheheliche Unterhaltszahlungen beschliessen.

Grundsätzlich erlischt der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt mit Erreichen des Rentenalters des unterhaltspflichtigen Ehepartners. Sind die Eheleute zum Zeitpunkt der Scheidung aber bereits im Rentenalter, haben auch sie den Anspruch, ihren zuletzt gemeinsam gelebten Standard fortsetzen zu können. Wie das Bundesgericht mit Urteil vom 7. August 2024 festhält, kann dies zu einer im Rentenalter weiterlaufenden und allenfalls sogar unbefristeten Unterhaltspflicht führen. Für die Berechnung der Existenzminima entscheidend sind dabei die aktuellen Wohnorte der Parteien.

Rentnerehepaar streitet um nachehelichen Unterhalt

Im Laufe der fast 50 Jahre dauernden Ehe ist der Ehemann bis zum Rentenalter erwerbstätig, während die Frau ihre Erwerbstätigkeit aufgibt, um die Kinder zu betreuen sowie den Haushalt zu führen. Nach seiner Pensionierung bezieht der Ehemann eine AHV-Rente von CHF 1 763, die Ehefrau eine von CHF 1 729. Zusätzlich verfügt der Ehemann über eine BVG-Rente von CHF 827. Im Scheidungsverfahren teilen die Eheleute die BVG-Rente mittels Teilvereinbarung auf.

Im Total verfügt der in Bulgarien lebende 83-jährige Ehemann über ein Einkommen von CHF 2 177. Das Regionalgericht setzt sein Existenzminimum bei CHF 1 147.50 an, das Obergericht erhöht den Beitrag auf CHF 1 500. Die in der Schweiz wohnende 77-jährige Ehefrau verfügt über ein Einkommen von CHF 2 058 bei einem Existenzminimum von CHF 2 504.

Das Regionalgericht verpflichtet den Ehemann zu einem monatlichen nachehelichen Unterhalt in der Höhe von CHF 446. Dieser ist jedoch der Ansicht, dass er keinen nachehelichen Unterhalt schulde, weswegen er Berufung beim Obergericht einlegt, welche dieses abweist. Daraufhin gelangt der Ehemann mit Beschwerde in Zivilsachen ans Bundesgericht.

Unterhaltspflicht kann nach Pensionierung weiterlaufen

Der Ehemann argumentiert, dass die nacheheliche Solidarität mit Erreichen des Rentenalters erlösche. Tatsächlich muss der Unterhaltspflichtige nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich keinen nachehelichen Unterhalt mehr leisten, sobald er das Rentenalter erreicht hat. Dies gilt für den Fall, in welchem die Scheidung erfolgt, bevor die Parteien das AHV-Alter erreicht haben.

Lassen sich die Parteien erst im Rentenalter scheiden, haben sie im Falle einer lebensprägenden Ehe den «Anspruch auf Fortsetzung des zuletzt gemeinsam gelebten Standards». Selbst wenn es «keinen Anspruch auf lebenslange finanzielle Gleichstellung gibt», lässt es sich im konkreten Fall aufgrund des hohen Alters der Parteien nicht rechtfertigen, die Unterhaltspflicht zu befristen.

Höhe des Existenzminimums hängt von Wohnort ab

Auch im vorliegenden Fall ist die so genannte «zweistufig-konkrete Methode der Überschussverteilung» anzuwenden. Damit ermittelt das Gericht in einem ersten Schritt die vorhandenen finanziellen Ressourcen und in einem zweiten Schritt die finanziellen Bedürfnisse der Parteien. Diese sind hier sehr tief, insbesondere jene des in Bulgarien lebenden Ehemannes. Auch enge finanzielle Verhältnisse rechtfertigen es aber nicht, den Umfang der Unterhaltspflicht auf eine andere Weise zu berechnen.

Der Ehemann argumentiert, dass die Unterhaltspflicht es ihm verunmögliche, in die Schweiz zurückzukehren. Denn müsste er die Unterhaltszahlung leisten, läge er unter dem Existenzminimum und wäre gezwungen, Sozialhilfe zu beziehen. Dies wiederum führte dazu, dass seine Aufenthaltsgenehmigung als italienischer Staatsbürger gefährdet wäre. Damit werde er als Staatsbürger eines EU-Landes gegenüber einem schweizerischen Staatsangehörigen diskriminiert. Das Bundesgericht folgt dieser Argumentation nicht und weist den Beschwerdeführer darauf hin, dass er bei einer allfälligen Rückkehr in die Schweiz eine Abänderungsklage erheben könne.

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, heisst aber das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gut.