Gesundheit

Sind im Ausland lebende Kinder eines Flüchtlings IV-berechtigt?

Ja, sofern der Flüchtling die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt und die Vaterschaftsanerkennung in der Schweiz wirksam ist. Dies hat das Bundesgericht am 21. Januar 2020 bestätigt.

Ein seit 1994 anerkannter Flüchtling aus Tschad bezieht seit 2005 eine Invalidenrente. 2016 hat er bei der IV-Stelle Bern Kinderrenten für seine beiden in Frankreich lebenden und 2012 anerkannten Töchter beantragt. Die IV-Stelle hat den Antrag abgelehnt. Das kantonale Verwaltungsgericht hat den Ablehnungsentscheid annulliert und zur Neubeurteilung an die IV-Stelle zurückgewiesen. Das Bundesgericht hat den Entscheid des Verwaltungsgerichts gestützt.

Gleichbehandlung von Flüchtlingen

Die Schweiz hat sich mit dem Abkommen über die Rechtstellung der Flüchtlinge verpflichtet, anerkannte Flüchtlinge in der sozialen Sicherheit und insbesondere in der Invalidenversicherung gleich wie Einheimische zu behandeln. Dem widersprechend hat die Bundesversammlung im Bundesbeschluss über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Staatenlosen in der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung festgelegt, dass das «Erfordernis des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthaltes […] von jeder Person, für die eine Rente ausgerichtet wird, einzeln zu erfüllen» ist.

Massgebendes Recht

Die Bundesverfassung hält fest, dass namentlich für das Bundesgericht Bundesgesetze und Völkerrecht massgebend sind. Die Bundesverfassung sieht im Falle eines Konfliktes zwischen Bundesgesetz und Völkerrecht keine Hierarchie vor. Die Rechtsprechung hingegen geht davon aus, dass die Bundesversammlung internationales Recht respektieren will: Widerspricht also ein Bundesgesetz einem völkerrechtlichen Vertrag, handelt es sich in der Regel um ein Versehen. Das Bundesgericht hat im konkreten Fall keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die Bundesversammlung bewusst Völkerrecht verletzen und Flüchtlingskinder gegenüber Kindern von Schweizer Staatsangehörigen schlechter stellen wollte. Entsprechend haben im Ausland lebende Kinder von in der Schweiz anerkannten Flüchtlingen, welche eine IV-Rente beziehen, grundsätzlich Anspruch auf eine Kinderrente.

Vaterschaftsanerkennung

Dass die Kinder im konkreten Fall eine Kinderrente erhalten, ist jedoch noch nicht entschieden. Vielmehr geht der Entscheid zurück an die IV Stelle Bern, welche vor Auszahlung der Rente zwei Punkte prüfen muss: Zum einen darf der Flüchtling nicht auf das Asyl in der Schweiz verzichtet haben und zum anderen muss die IV Stelle kontrollieren, ob die in Frankreich erfolgte Vaterschaftsanerkennung in der Schweiz wirksam ist.