Unterwegs

Unfall, aber kein Schaden. Muss ich die Polizei dennoch verständigen?

Steht zweifelsfrei fest, dass kein Schaden entstanden ist, muss der Unfallverursacher die Polizei nicht verständigen.

Bei einem Unfall mit einem Motorfahrzeug oder einem Fahrrad müssen alle Beteiligten sofort anhalten. Ist ein Schaden entstanden, ist gemäss ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung auch dann die Polizei zu verständigen, wenn der Schaden geringfügig ist. Liegt aber gar kein Schaden vor, ist eine Meldung an die Polizei nicht notwendig, wie das Bundesgericht mit Entscheid vom 27. September 2021 bestätigt hat. Denn ohne Sachschaden muss der Fahrzeugführer nicht damit rechnen, dass diese eine Atemalkoholprobe anordnen würde. (Siehe auch: «Wann darf die Polizei einen Drogenschnelltest durchführen?»)

Fahrer touchiert beim Parken anderes Fahrzeug leicht

Der Autofahrer trinkt zwei Panaché und fährt danach nach Hause. Als er das Auto parkt, touchiert er das vor ihm stehende Fahrzeug. Er vergewissert sich, dass kein Schaden entstanden ist und gibt der Halterin des touchierten Autos seine Kontaktdaten an, ohne die Polizei zu informieren. Diese kann einige Tage später nicht mehr feststellen, ob die leichten Dellen und der kleine Lackschaden vom Unfall stammen.

Die Staatsanwaltschaft verurteilt den Autofahrer wegen Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit und pflichtwidrigen Verhaltens nach einem Unfall mit Fremdschaden zu einer bedingten Geldstrafe sowie zu einer Busse. Das Bezirksgericht reduziert die Busse, bestätigt im Übrigen aber den Strafbefehl. Das Kantonsgericht weist die Berufung des Autofahrers ab. Dieser erhebt Beschwerde in Strafsachen am Bundesgericht.

Atemalkoholprobe bereits bei kleinem Sachschaden möglich

Bei einem Fahrzeugunfall mit Sachschaden ist die Polizei zwingend zu verständigen, wenn der Schädiger den Geschädigten nicht benachrichtigen kann. Wie das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung festhält, gilt dies auch, wenn der Schaden gering ist. Gemäss der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss «grundsätzlich bereits mit der Anordnung einer Atemalkoholkontrolle gerechnet werden, wenn ein Fahrzeugführer in einen Unfall verwickelt ist».

Ohne Sachschaden muss Unfallverursacher Polizei nicht verständigen

Die Polizei stellt in ihrem Bericht fest, dass der Sachschaden kaum erkennbar gewesen und nicht ermittelbar sei, welcher Schaden neu durch das Touchieren entstanden sei. Wenn aber kein Sachschaden entstanden sei, so das Bundesgericht, habe der Fahrzeugführer weder die Polizei verständigen müssen noch sei «der objektive Tatbestand der Vereitelung einer Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit» erfüllt.

Das Bundesgericht hebt die Verurteilung wegen pflichtwidrigen Verhaltens und Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit auf und verpflichtet den Kanton Luzern zur Bezahlung einer Parteientschädigung von CHF 2 595.55.

Aktualisiert am 12. September 2024