Familie

Hat nach einer Trennung nur ein biologischer Elternteil ein Besuchsrecht?

Sofern dies dem Kindeswohl dient, hat auch ein nicht-biologischer Elternteil ein Besuchsrecht.

Ein Besuchsrecht ist auch für einen nicht biologischen Elternteil möglich, wenn dieser eine enge Beziehung zu dem Kind hat oder hatte und das Besuchsrecht dem Kindeswohl dient. Haben zwei Frauen gemeinsam den Entschluss gefasst, eine Familie zu gründen, gilt auch die nicht-biologische Mutter als Bindungsfigur für die Kinder und hat als solche ein Besuchsrecht. Dies hat das Bundesgericht mit Urteilen vom 16. März 2021, vom 21. Juni 2023 und vom 1. Mai 2024 entschieden.

Mutter verweigert Expartnerin Umgang mit den Kindern

Während der eingetragenen Partnerschaft gebiert eine Frau nach künstlichen Befruchtungen drei Kinder. Ihre Partnerin steht von Beginn an in einer engen Beziehung mit den Kindern. Als die jüngsten Kinder knapp jährig sind, trennt sich das Paar im September 2018. Die Kinder bleiben bei ihrer biologischen Mutter, welche der Expartnerin den Umgang mit den Kindern verweigert. Ein Jahr später löst das erstinstanzliche Gericht die Partnerschaft auf und ordnet ein begleitetes Besuchsrecht mit sofortiger Wirkung an. Gegen diesen Entscheid legt die biologische Mutter Rekurs ein, welchen das Gericht im Juli 2020 gutheisst. Die Expartnerin wiederum erhebt beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen.

«Originärer Elternteil» hat ein Recht auf persönlichen Verkehr

Das Bundesgericht erinnert daran, dass sowohl das Zivilgesetzbuch als auch das Partnerschaftsgesetz bei aussergewöhnlichen Umständen auch anderen Personen als den Eltern ein Recht auf persönlichen Verkehr einräumen, sofern dieses dem Kindeswohl diene. Da hier die Ex-Partnerin bereits vor der Geburt der Kinder ein voll engagierter, zwar nicht biologischer, aber «originärer Elternteil» gewesen sei, diene der persönliche Verkehr grundsätzlich dem Kindeswohl. Daran ändere weder ein längerer Kontaktunterbruch zwischen der Ex-Partnerin und den Kindern noch ein Konflikt zwischen den Ex-Partnerinnen oder die unterdessen erfolgte Rückreise der Expartnerin in ihr Ursprungsland etwas. (Siehe auch: «Darf mir meine Schwiegertochter den Umgang mit meinem Enkelsohn verbieten?»)

Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der Ex-Partnerin gut und weist die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück, da diese den Sachverhalt nicht sorgfältig genug abgeklärt habe.

Besuchsrecht des nicht-biologischen Elternteils drei Mal vor Bundesgericht 

Die Vorinstanz heisst im Februar 2022 den Rekurs der biologischen Mutter ein weiteres Mal gut und lehnt damit ein Besuchsrecht ab. Mit Urteil vom Juni 2023 weist das von der Ex-Partnerin wiederum angerufene Bundesgericht den Fall erneut an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurück. Denn nach wie vor habe diese nicht sorgfältig genug abgeklärt, ob ein Besuchsrecht unter dem Strich dem Kindeswohl diene. Daraufhin entscheidet die Vorinstanz, dass es keine Gründe gegen das Besuchsrecht der Ex-Partnerin gebe. Gegen diesen Entscheid legt nun die biologische Mutter Beschwerde an das Bundesgericht ein, welches das Besuchsrecht mit Urteil vom 1. Mai 2024 bestätigt: Bei einem eindeutig gemeinsam geplanten und umgesetzten Familienprojekt sei es im Interesse der Kinder, eine Beziehung zu beiden Elternteilen zu haben.

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Die Verfahren vor dem Bundesgericht kosten die biologische Mutter insgesamt 6 000 CHF an Gerichtskosten sowie 5 000 CHF an Parteientschädigung.

Aktualisiert am 14. November 2024